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Allgemeingenehmigungen für Rüstungsexporte zurückziehen

21. Aug 2023

Effizienz auf Kosten von Transparenz und Kontrolle.

Die Verfahren für die Exportkontrolle von sonstigen Rüstungsgütern und Dual-Use-Gütern sollen effizienter gestaltet werden. Das teilte das Wirtschaftsministerium zusammen mit dem ihr untergeordneten Bundesausfuhramt (BAFA) Ende Juli in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Dazu wurden am 1. August neue sogenannte Allgemeingenehmigungen veröffentlicht und bestehende überarbeitet, die ab dem 1. September gelten. Nicht nur EU- und NATO-Staaten, sondern v.a. Südkorea, aber auch Chile, Singapur und Uruguay dürfen nun ohne Einzelfallprüfung mit bestimmten sonstigen Rüstungsgütern beliefert werden. Allgemeingenehmigungen (AGG) müssen im Gegensatz zu Einzelausfuhr- oder Sammelausfuhrgenehmigungen von den exportierenden Unternehmen nicht beantragt werden. Ausfuhren von bestimmten sonstigen Rüstungsgütern können nun einfach vorgenommen werden und müssen in den meisten, jedoch nicht allen Fällen, nur noch dem BAFA gemeldet werden.

Diese neuen Regelungen kritisiert die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ scharf. „Die Begründung, dass der ´Außenwirtschaftsverkehr nicht stärker als erforderlich belastet´ werden soll, wie in einer Allgemeingenehmigung als Vorbemerkung nachzulesen ist, zeigt ganz deutlich, dass auch diese Bundesregierung wirtschaftliche Interessen vor Exportkontrolle, Transparenz und vor allem menschliche Sicherheit stellt. Sprengstoffe (AGG Nr. 22) und geländegängige Fahrzeuge (AGG Nr. 19) nicht mehr einer Einzelfallprüfung zu unterziehen und nicht nur an EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder (mit Ausnahme der Türkei), sondern auch an die Drittländer Chile, Singapur, Südkorea, Uruguay pro forma zu erlauben, steht im krassen Widerspruch zu der Gefährlichkeit der Güter und der immens hohen Missbrauchsgefahr. Dass zudem die Ausfuhr von Sprengstoffen nicht einmal dem BAFA gemeldet werden muss, kann nur als katastrophal bezeichnet werden“ [Korrektur: In der neuen Fassung der AGG Nr. 22 ist eine Meldepflicht vorgesehen. In der alten Fassung war das nicht der Fall.], kritisiert Christine Hoffmann, Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel!“ und pax christi-Generalsekretärin. Hoffmann fügt hinzu: „Dass Südkorea darüber hinaus – neben vielen anderen Rüstungsgütern – nun auch Herstellungsausrüstung und bestimmte Software für den Bau von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (AGG Nr. 33) bekommen soll, setzt dem ganzen die Krone auf. Südkorea forciert massiv Rüstungsexporte aus eigener Produktion. Wir müssen also davon ausgehen, dass zukünftig südkoreanische Waffen mit deutschem Know-how ohne jede deutsche, kontrollrechtliche Möglichkeit in die Welt exportiert werden. Das ist ein Skandal. Die Bundesregierung muss diese Allgemeingenehmigungen zurückziehen!“ 

„An Zynismus ist kaum zu überbieten, dass das Bundeswirtschaftsministerium mehr Transparenz für die Rüstungsexportkontrolle angekündigt hat, und nun Allgemeingenehmigungen für die Ausfuhr bestimmter sonstiger Rüstungsgüter erlässt. Diese tauchen in keinem Rüstungsexportbericht mehr auf. Auch müssen sie teilweise nicht einmal mehr dem BAFA gemeldet werden. Zu allem Übel werden diese Maßnahme auch noch mit Effizienzsteigerung und den ´Wünschen´ der Rüstungsindustrie nach beschleunigten Verfahren begründet“, empört sich Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ und Bundessprecher der DFG-VK. Grässlin ergänzt: „Das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium sagt damit ganz eindeutig ´Nein´ zu Transparenz und zu demokratischer Kontrolle von Rüstungsexporten. Denn im Rüstungsexportbericht wird lediglich über die erteilten Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen berichtet sowie über die tatsächliche Ausfuhr von Kriegswaffen. Die tatsächliche Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern wird statistisch überhaupt nicht erfasst und entsprechend auch nicht darüber berichtet. Die nun möglichen Ausfuhren sonstiger Rüstungsgüter auf Grundlage der erlassenen Allgemeingenehmigungen in EU-, NATO- und NATO gleichgestellte Staaten sowie Südkorea, Singapur, Chile und Uruguay werden also dazu führen, dass die berichteten Exportzahlen überhaupt nicht mehr das wahre Ausmaß widerspiegeln. Geschweige denn, dass bekannt wird, welche Güter geliefert werden. Diese politische Entscheidung der Bundesregierung ist eine katastrophale Entwicklung für die Rüstungsexportkontrolle!“ 

„Man kann es nicht anders sagen: Die Bundesregierung verhöhnt den Gesetzgeber sowie Zivilgesellschaft und Forschungsinstitute mit den nun von ihr erlassenen Allgemeingenehmigungen. Der Gesetzgebungsprozess um das Rüstungsexportkontrollgesetz, um das seit über einem Jahr gestritten wird und zu dem es anfangs noch einen breiten Fachaustausch gab, wird schlicht unterlaufen. In dem Entwurf der Eckpunkte zum Gesetz mit Stand Oktober 2022 ist vorgesehen, die Drittländer Chile, Südkorea, Singapur und Uruguay in den Kreis der NATO-gleichgestellten Ländern aufzunehmen. Nun wurde dieser Schritt per Erlass der Allgemeingenehmigungen vorgenommen, bevor überhaupt ein Entwurf für das Gesetz vorliegt. Somit hat der Bundestag keinerlei Möglichkeit, dieser Entscheidung etwas entgegenzusetzen. Nur wenn diese Allgemeingenehmigungen Eingang in den Gesetzentwurf finden, kann diese unheilvolle Entwicklung zurückgedreht werden“, so Susanne Weipert, Koordinatorin der Kampagne „Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel!“ und fügt hinzu: Am 19. September veranstaltet das BAFA eine Infoveranstaltung zu diesen neuen Allgemeingenehmigungen. Wir werden unserer Möglichstes tun, um auf den damit verbundenen Skandal aufmerksam zu machen.“